Evergrande – mehr als ein Sack Reis in China

Der chinesische Immobilienmarkt wächst seit Jahren und die Immobilienpreise sind stark gestiegen. Von diesem Trend haben eigentlich alle Involvierten profitiert – vom Staat, der Land verkauft hat, bis zu den privaten Investoren. Dieser Trend hat natürlich auch seine Schattenseite. Wohnen wird immer teurer, was zu einer wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung in China fährt.

Die chinesische Regierung, die zurzeit generell die Regulierungsschraube anzieht, hat daher auch das Anwachsen der Mietpreise beschränkt. Gleichzeitig werden die freien Flächen, die man für weitere Bebauungen nutzen kann, knapper. Rein strukturell hat sich das Umfeld für den Immobilienmarkt in China also verschlechtert.

Ob nun Zufall oder Koinzidenz: die finanzielle Situation von Evergrande, der zweitgrößte Immobilienentwickler in China, hat sich in den letzten Wochen – oder unbemerkt in den letzten Monaten – verschlechtert. Die Verschuldung beläuft sich auf 300 Mrd US Dollar und anstehende Zinszahlungen könnten eventuell ausfallen. Die chinesische Regierung kann hier natürlich einspringen und die bestehenden Probleme lösen. Aber nach dem jüngsten Verhalten würde es mich nicht überraschen, wenn man die Probleme weiter eskalierten lässt. Denn es wäre ein klares Signal an die chinesische Wirtschaft, dass auf wachsende Verschuldung basierende Geschäftsmodelle nicht mehr erwünscht sind. Zudem wäre es auch ein Signal in Richtung Bevölkerung, dass man sich nun um die schnell steigenden Immobilienpreisen kümmert.

Wenn sich die finanziellen Probleme von Evergrande nicht lösen lassen und eine Restrukturierung nicht zu vermeiden ist, wäre dies zunächst hauptsächlich ein inner-chinesisches Problem, da die Schuldner von Evergrande großteils in China zu finden sind. Je nachdem wie stark das Signal der chinesischen Regierung an die Wirtschaft sein soll, könnte es zu Ansteckungseffekten bei weiteren Immobilienentwicklern kommen. Zudem könnten auch chinesische Banken in Probleme kommen, da die notwendigen Abschreibungen die Bilanzen belasten würden. Der Anreiz für ein solches Szenario könnte das Bestreben der chinesischen Regierung sein, den Immobilienmarkt neu zu ordnen.

Für die Weltwirtschaft und Finanzmärkten besteht also zumindest keine direkte Gefahr. Aber es gibt natürlich indirekte Gefahren. So kann sich das chinesische Wachstum weiter abschwächen und damit die weltwirtschaftliche Wachstumsdynamik dämpfen, was zurzeit nicht in den entsprechenden Prognosen enthalten ist. Die Finanzmärkte könnten unter fallenden Risikobereitschaft von Investoren leiden. So sollten in diesem Szenario die Renditen von Anleihen, hier insbesondere von Emittenten mit einem schwächeren Rating, steigen; auch einige Schwellenländer könnten betroffen sein. Wenn die Anleihemärkte unter Druck kommen, dürfte es auch an den Aktienmärkten zu einer Korrektur kommen, die bislang auf sich hat warten lassen.

Wie sich die aktuelle Situation löst, hängt hauptsächlich vom Verhalten der chinesischen Regierung ab. Die Unwägbarkeiten sind aber groß und eine gewisse Vorsicht bei den Investitionsentscheidungen scheint in den kommenden Wochen angebracht zu sein. 

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