Zentralbanken stehen seit Jahren im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung und der Stabilität der Finanzmärkte. Man denke nur an den unvergessenen Satz mitten in der Eurokrise vom damaligen EZB Chef Draghi, dass die EZB alles tun wird, um den Euro zu erhalten (what ever it takes). Auch während der gerade auslaufenden Coronapandemie, mit der bisher ungekannte Einschränkungen für die Wirtschaft einhergingen, haben die Zentralbanken durch niedrige Zinsen, Liquiditätsbereitstellung und Anleihekäufe zur Stabilität und letztendlich zu einer sehr starken Performance der Finanzmärkte beigetragen oder einfach gesagt, dafür gesorgt, dass die Weltwirtschaft nicht zusammengebrochen ist. Spätestens seit 2010 leben wir also in einem zentralbankendominierten Wirtschaftssystem.
Die Rettungsaktionen hatten auch Nebenwirkungen. Die niedrigen Leitzinsen und die Anleihekäufe, die das Ziel hatten, die Renditen von Anleihen abzusenken, führten insbesondere im Euroraum zu einer Politisierung der Zentralbanken. Die – zentralbankinduzierten niedrigen Renditen und hohe Nachfrage nach Anleihen machten es den Staaten – und auch Unternehmen – immer leichter, sich zu verschulden. Die Folge ist, dass die Staatsschulden weltweit sehr hohe Werte erreicht haben. Damit sank auch der Druck auf die Länder, strukturelle Schwächen auszugleichen, da die Verschuldung zu immer niedrigeren Renditen möglich wurde. Mit steigender Verschuldung nehmen jedoch die negativen Effekte von steigenden Renditen zu. Damit stehen die Zentralbanken nun vor dem Dilemma, dass die Normalisierung der Geldpolitik nur sehr langsam erfolgen kann. Bei schnellen oder abrupten Anstiegen der Renditen könnte die Zahlungsfähigkeit von Staaten (und Unternehmen) und damit die strukturelle Stabilität gefährdet sein.
Diese Zusammenhänge sind allgemein bekannt und natürlich ist dies auch den Zentralbanken bekannt. Aktuell stehen die Zentralbanken nun vor der Herausforderung, dass die Inflationsdynamik ansteigt, aber es eigentlich zu früh ist, die Zinsen anzuheben. Neben den dargelegten strukturellen Gründen für einen verzögerte Normalisierung der Geldpolitik, gibt es auch handfeste wirtschaftliche Gründe: Die Weltinflation fällt seit mehreren Jahren. Globalisierung, Digitalisierung und Alterung der Gesellschaften dürften hierbei – mit zeitlich unterschiedlichen Gewichten – eine wichtige Rolle spielen. Aus geldpolitischer Sicht sollten die Zentralbanken also warten, bis diese eine Bestätigung haben, dass die Inflation tatsächlich nachhaltig und dauerhaft steigt, bevor man den geldpolitischen Kurs und die Veränderungsgeschwindigkeit anpasst.
Dahinter steht die Abwägung, dass der wirtschaftliche und strukturelle Schaden einer schnellen Straffung der Geldpolitik erheblich sein kann. Wenn die Inflation nur ein temporäres Phänomen gewesen wäre, könnte die Weltwirtschaft wegen der höheren Renditen in einer länger andauernden Stagnation bei niedriger Inflation abgleiten und damit wären die Erfolge der Vergangenheit größtenteils zunichte gemacht worden.
Auf der anderen Seite ist es für Zentralbanken viel leichter durch eine beherzte Straffung der Geldpolitik die Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und die Inflationsdynamik effektiv zu reduzieren. Dies folgt der alten Weisheit, dass Inflation kein langfristiges Problem für eine Zentralbank sein kann; Deflation aber schon.
Aus meiner Sicht spiegeln sich in der aktuellen Geldpolitik genau diese Überlegungen wider. Die Zentralbanken werden bis jetzt ihrer Verantwortung gerecht. Relativierend muss man natürlich anmerken, dass der Beweis für den Willen, Inflation effektiv zu begrenzen noch nicht erbracht werden musste. Genau dann wird sich aber zeigen, ob die Zentralbanken weiterhin unabhängig sind. Ich bin aber zuversichtlich, dass dies gelingt. Denn es ist auch allen Verantwortlichen klar, dass unser Wirtschaftssystem in der aktuellen Struktur nur funktionieren kann, wenn das Vertrauen in die Zentralbanken fest verankert ist. Ansonsten gäbe es in den Anleihe- und Währungsmärkten deutliche Verwerfungen.
Für die nächsten Wochen bedeutet dies, dass die Finanzmärkte zwischen höheren Inflationsraten und den damit verbundenen Sorgen von steigenden Renditen und den relativierenden Hinweisen der Zentralbanken hin und her pendeln werden. Das grundsätzlich positive Wachstumsumfeld sollte sich dabei als stabilisierend auswirken. Man kann also mit einer breit angelegten Seitwärtsbewegung rechnen. Jedoch dürfte es immer wieder auch Phasen geben, in den die Aktien und Anleihemärkte Luft holen werden. Die Verunsicherung der Investoren dürfte sich erst nachhaltig legen – wenn es wieder relativ klar ist, dass die Gefahr der Inflation doch nicht real wird.
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