Europa verliert Boden im Wettbewerb der Systeme

In der Weltwirtschaft findet zurzeit ein Wettbewerb der Systeme statt. Im Wesentlichen konkurriert China mit den USA. Europa fällt dabei zurück. Wenn sich die politische Entwicklung in Europa fortsetzt und Regierungen sich zunehmend auf breite Koalitionen stützen müssen, sollte sich das wirtschaftspolitische Profil weiter verwässern. Bei Themen wie internationalen Steuerwettbewerb, Innovationsförderung und Stärkung der Attraktivität für ausländische Investoren braucht man eine klare politische Meinung und entsprechende Umsetzungsstärke. Damit dürfte Europa wirtschaftspolitisch noch mehr Boden verlieren.

Bulgarien hat am Wochenende gewählt – die Regierungsbildung scheint sehr schwierig zu werden und lange zu dauern. Nun ist Bulgarien kein Land, das in der Weltpolitik oder der Weltwirtschaft große Schwingungen auslösen kann. Aber die Entwicklung in Bulgarien ist kein Einzelfall. Immer häufiger kommt es bei Wahlen zu keinen eindeutigen Ergebnissen und die Regierungsbildung dauert ungewöhnlich lange. Das extremste Beispiel ist zurzeit Israel, aber auch in den Niederlanden hat die letzte Wahl keinen klaren Gewinner hervorgebracht.

Ein ähnlicher Trend ist auch in Deutschland festzustellen. Die großen Volksparteien verlieren an Zuspruch und die Regierungsbildung gestaltet sich zunehmend kompliziert. In Deutschland hat dies in den letzten Legislaturperioden zur Bildung einer großen Koalition geführt. Aber selbst für eine solche Lösung könnten die Mehrheiten bald nicht mehr ausreichen.

Die Gründe für diese Verschiebung der politischen Interessen sind vielschichtig und gehen von einer Verwässerung des politischen Profils bzw. fehlendes politisches Angebot über fehlende Kompetenz bis hin zu einem wachsenden politischen Desinteresse bei den Wählern. Dabei ist natürlich das Verhältniswahlsystem speziell sehr anfällig für eine solche Entwicklung. Ein Mehrheitswahlsystem, wie in Großbritannien oder (leicht abgewandelt) in den USA, ist für einen solchen Trend nicht anfällig und relativ robust. Obwohl man in diesen Ländern einen ähnlichen Trend bei der politischen Willensbildung feststellen kann, haben die letzten Wahlen – wenn auch knapp – eine stabile Mehrheit für die regierende Partei gebracht.

Eine breitangelegte Veränderung der Wahlsysteme erscheint nicht wahrscheinlich. Daher liegt in den europäischen Ländern der Schlüssel der Veränderung in den Händen der politischen Parteien. Die Parteien müssen reagieren und mit einem veränderten politischen Angebot wieder attraktiver werden. Das permanente Schielen auf Meinungsumfragen und aktuellen Trends hat sich hierbei jedoch nicht als förderlich erwiesen.

Ihre Bewertung
Vielen Dank für Ihre Wertung. Ihre Wertung:
Durchschnittliche Bewertung:
4.5
Anzahl abgegebener Bewertungen:
13

Kommentare

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Halten Sie sich mit unserem

Alert-Abo auf dem Laufenden.

Und erhalten Sie eine E-Mail bei neuen Beiträgen.

Jetzt abonnieren