Plan B – Was essen wir morgen?   

Roboterbienen, Milch ohne Kuh, Buletten aus der Petrischale – kann Biotechnologie die Ernährung der Menschheit sichern? Können wir die Natur nachbauen und Schäden wiedergutmachen?

Die wachsende Weltbevölkerung ist eine große Herausforderung für die Ernährungssicherung. Dabei stößt die herkömmliche Lebensmittelproduktion schon jetzt an ihre Grenzen und schafft enorme Probleme für Umwelt und Klima. Etwa ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen entstehen durch die Fleisch- und Milchproduktion. Und der globale Fleischkonsum soll sich bis 2050 sogar noch verdoppeln.

Dazu kommt das weltweite Insektensterben. Ein Aussterben der Bienen würde die Ernährungssicherung der Menschheit bei den derzeitigen Produktionsbedingungen gefährden. Kann Biotechnologie die Ernährung der Menschheit sichern?

Können wir die Natur nachbauen?

Keine Insekten – keine Menschen. Insekten spielen für die Nahrungsmittelproduktion eine elementare Rolle. Etwa 88 Prozent aller Blühpflanzen werden durch Insekten bestäubt. Ohne sie gäbe es kein Obst, kein Gemüse oder Getreide. Könnte Technik die Arbeit der Bienen bei der Bestäubung übernehmen? Theoretisch ja. International wird an Bestäuberdrohnen geforscht und die Bestäubung gelingt den fliegenden Robotern sogar. Allerdings haben sie sehr kurze Akkulaufzeiten und kommen nicht weit. Stürzen sie unterwegs ab, bleibt der Elektroschrott in der Umwelt liegen. In der freien Natur können sie die Insektenvielfalt nicht ersetzen. In Gewächshäusern und auch in Monokulturen wären sie allerdings in der Lage, die Arbeit von Bienen kostspielig zu übernehmen. Sinnvoller ist hier mit Sicherheit der Schutz von Insekten.

Milch ohne Kuh

Die Milch der Zukunft könnte allerdings schon sehr bald aus dem Bioreaktor kommen. Weltweit wird an der Kuhmilch ohne Kuh geforscht. Für die Produktion wird die uralte Gärmethode Fermentation mit hochmoderner Technik der genetischen Veränderung von Mikroorganismen verknüpft. Hefezellen bekommen dabei per Genschere eine Gensequenz einer Kuh verpasst und damit die Information, wie sich Milchprodukte herstellen lassen. Diese sogenannte Präzisionsfermentation ist eine Meilenstein-Technologie, mit der naturidentische Milchprodukte sogar im Weltraum hergestellt werden können. Die Produktionskosten sind schon jetzt nicht höher, als bei herkömmlicher Milch und die Umwelt dankt, denn Wasser, Weideflächen und CO2 werden eingespart.

Die Milch aus dem Labor könnte eine gute Lösung für das Problem der Massentierhaltung sein. Der Lebensmittelkonzern Unilever und der Eishersteller Ben & Jerry´s zum Beispiel wollen so bald wie möglich die Innovation für ihre Produkte verwenden.

Buletten aus der Petrischale

Bei Fleisch aus dem Labor gerät auch viel in Bewegung. Für die Erzeugung von Laborfleisch werden mittels Biopsie aus dem Muskelfleisch von Tieren Zellen entnommen und im Bioreaktor in einer hochkomplexen Nährlösung vermehrt. Dabei entsteht Muskelgewebe. Es eignet sich besonders für die Herstellung von Burger-Patties, Nuggets oder Hackfleisch. Sogar ganze Fleischstücke, die in Form und Textur echtem Fleisch entsprechen, können inzwischen per 3D-Biodruckern wachsen.

Für die Nährlösung war lange Zeit Rinderserum unabdingbar, welches aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen wird. Es ist jedoch sehr teuer und ethisch umstritten. Inzwischen forschen Biotechnologie-Unternehmen mit Hochdruck an tierfreien Nährlösungen, sie sind der Schlüssel für eine bezahlbare Massenproduktion und öffentliche Akzeptanz.

In-Vitro-Fleisch hat deutliche Umweltvorteile, die Produktion benötigt weniger Land und weniger Wasser, zusätzlich ist die Belastung von Gewässern durch Stickstoff und Phosphor um 95 Prozent reduziert. Allerdings ist die Produktion im Bioreaktor mit sehr hohen Energiekosten verbunden.

Die erste künstliche Frikadelle haben Wissenschaftler von der Universität Maastricht 2013 hergestellt. Die Produktionskosten beliefen sich auf utopische 250.000 Euro. Inzwischen ist In-Vitro-Fleisch in Singapur, Israel und den USA bereits auf dem Markt. Laut McKinsey könnte Kulturfleisch schon im Jahr 2030 zum gleichen Preis produziert werden, wie herkömmliches Fleisch. Das weltweite Marktpotenzial prognostizieren die Berater auf bis zu 25 Milliarden Dollar.

Zulassung in Europa langwierig

Nahrungsmittelproduktion mit biotechnologischen Verfahren ist nicht nur eine Chance für die Zukunft, sondern möglicherweise sogar ein Muss. In Europa brauchen Start-Ups allerdings einen langen Atem, um an diesem Geschäft teilhaben zu können. Denn die Novel-Food-Verordnung der EU schreibt jahrelange Zulassungsprozesse vor. Italien will die Produktion von Laborfleisch sogar generell verbieten. Auch die Labormilch wartet noch auf eine entsprechende Zulassung.

Innovative Firmen wandern darum gerne in die Länder aus, die diese Entwicklungen bereits genehmigt haben. In Deutschland fördert die Bundesregierung nur ein einziges Forschungsprojekt im Bereich der Zellkulturen, den Forschungsverbund Cellzero Meat mit knapp 1,2 Millionen Euro. Ziel ist, Verfahren zur Kultivierung von Fleisch mit tierfreier Nährlösung voranzubringen. Mehr Forschungsgelder wären in dem Bereich wünschenswert, damit der Zug für Deutschland nicht abgefahren ist.

Lesen Sie hier weitere Beiträge zu dem Fokusthema Biotechnologie.

Quellen:

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